Vor kurzem habe ich eine Mail erhalten, in der ich gefragt wurde, was sich noch in meinen Küchenschubladen befindet, seit Petra meine Küchenausstattung reorganisiert hat. Was in die Küchenschublade gehört – und noch wichtiger: was nicht –, bin ich schon häufiger gefragt worden, also antworte ich mal wieder in Form eines Artikels.
Im Prinzip könnte ich mir die Beantwortung leicht machen und sagen, dass nur solche Sachen etwas in der Küche (und damit auch den Schubladen) zu suchen haben,
- die man tatsächlich regelmäßig nutzt
- und die nicht an anderer Stelle besser aufgehoben sind.
Aber damit würde ich es mir zugegebenermaßen ziemlich einfach machen (obwohl ich dazu stehe, dass das die Quintessenz ist). Also versuche ich mal ein wenig herunterzubrechen, was ich aus eigener Erfahrung gelernt habe.
Petra als rettende Küchenfee
Ich gebe gerne zu, dass ich noch vor ein paar Jahren dachte, alles, was ich in meiner Küche an Utensilien versammelt hatte, würde ich auch brauchen. Darunter eine Menge Kram, den ich höchstens ein- oder zweimal (und manches nie oder schon ewig nicht mehr) verwendet hatte. Anderes hatte ich doppelt, dreifach und vierfach. Und von manchen Sachen wusste ich gar nicht so genau, wofür sie eigentlich gedacht waren oder ob ich sie nur nicht so recht kapierte.
Trotzdem konnte ich mich von nichts so wirklich trennen: Ja, den Avocadoschneider hatte ich nur einmal versucht zu verwenden (und da war die Avocado zu hart), aber mal ehrlich: Das Ding ist nur ein Stückchen Plastik, kein riesiger Trümmer. Und es hat auch ein paar Euro gekostet. Warum sollte ich das also wegwerfen? Auch die verschiedenen Kochlöffel, Schaber und Heber aus Holz , Plastik und Silikon nahmen doch keinen Platz weg. Wie auch alte Untersetzer, der Ausgießer für Schnapsflaschen, der noch von meiner Mutter stammte, die Beutelverschlüssel, Schaschlikspieße, Plastikhalme etc. pp.
Dann kam Petra. Sie bot mir an, meine Küche neu zu organisieren (oder ich habe sie gegeten … über den genauen Hergang sind wir uneins). Unsere Abmachung beinhaltete, dass sie nichts wegwerfen, aber Dinge, die sie als unnötig empfand, ausräumen und wegpacken würde – aber ich mir später alles bei Bedarf zurückholen durfte. Was blieb, würde sie neu organisieren, ohne meine Küche komplett umzugestalten. Ich war damals einerseits erfreut, von Petras Erfahrung zu profitieren, andererseits aber auch, kein Risiko eingehen zu müssen: Es blieb ja alles verfügbar.
Als Petra mir ihr Ergebnis präsentierte, war vieles verschwunden und vieles anders in meiner Küche, obwohl Möbel, Herd und Kühlschrank am gleichen Platz verblieben waren. Sie erklärte mir, dass es in der Küche verschiedene Funktionsbereiche gibt, die sie voneinander getrennt und samt den jeweiligen Utensilien so angeordnet hatte, dass die Wege und Abläufe möglichst effizient sind. Sie zeigte mir unter anderem den neu geordneten Spülbereich (mit Schwämmchen, Putztüchern, Geschirrreiniger, Tabs und Entkalker für die Spülmaschine, Hand- und Trockentüchern, Abtropfgestell usw.), den überarbeiteten Kochbereich (Herd, Töpfe, Pfannen, Deckel, Topflappen, Kochlöffel …) und – ganz wichtig – den Bereich zum Arbeiten, also die Vorbereitung der Speisen und das Anrichten.
Damals tadelte mich Petra: „Wenn du erst mal durch die halbe Küche rennen und einen Kochlöffel aus einer total überfüllten Kram-Schublade herausfriemeln musst, ist dein Essen längst angebrannt! Und wenn du die Arbeitsfläche nicht freihältst, sondern darauf alles Mögliche deponierst, kannst du da nicht arbeiten und das ist keine Arbeitsfläche, sondern Stauraum.“ Jaja, sie hatte recht und den Finger gezielt in meine alten Küchenwunden gelegt.
Funktionsbereiche als Ordnungskriterium
Diesem Prinzip der Funktionsbereiche, die sich an den üblichen Aufgaben und wiederholenden Abläufen in der Küche orientieren, hatte ich bis dahin kaum Beachtung geschenkt. Und deshalb machte mir meine Küche auch keinen Spaß, obwohl ich gerne koche und backe. Es war bis dahin einfach alles ineffizient organisiert und freie Flächen und Schubladen, die sich noch problemlos schließen ließen, tendierten dazu, sehr schnell als Stauraum gemissbraucht zu werden.
Als Petra mit ihrer Reorganisation fertig war, musste ich einsehen, dass auch Schubladen eigentlich eine Ordnungsfunktion haben: Sie erfüllen ihren Zweck nur dann wirklich, wenn sie nicht überfüllt und als Stauraum missbraucht werden. Selbst in der Besteckschublade hatte ich viel zu viele Löffel, Messer und Gabeln gehortet: Da gab es z.B. das „gute“, so gut wie nie genutzte Besteck und das „Alltagsbesteck“ – etwas, das mir heute absurd vorkommt.
Petra hatte ganze Arbeit geleistet: Nicht nur die Arbeitsfläche war frei, die Funktionsbereiche waren gut gegliedert und viele Dinge „verschwunden“, sondern es waren auch manche Dinge aus den Schubladen an praktischere Orte gewandert. So hängen jetzt diverse Schneidemesser, die ich in den Schubladen aufbewahrt hatte, an einer Magnetleiste hinten an der Wand über dem Arbeitsbereich. Auch ein Kochlöffel, ein Silikonschaber und ein Schneebesen sind dort hinten in einem zylindrischen Behälter stehend platzsparend und doch griffbereit untergebracht.
Weniger ist mehr: Effizienter und übersichtlicher
Petras Reorganisation führte mir den einen Teil aus meiner Quintessenz zur Eingangsfrage deutlich vor Augen: Natürlich ist es viel besser, wenn man Messer oder Rührhilfe nicht erst in einer (auch noch überfüllten) Schublade suchen muss, sondern direkt zur Hand hat. Es ist also manches außerhalb der Schublade besser aufgehoben!
Das heißt aber gerade nicht, dass man jetzt alles in irgendwelchen Haltern auf der Arbeitsfläche oder an den Wänden deponieren sollte. Im Gegenteil! Mir fiel damals auf Anhieb gar nicht auf, dass Petra nur drei meiner Messer an die Magnetleiste gehängt hatte: ein Brotmesser, ein kleines Küchenmesser und eine Art Universalmesser. Mein geliebtes (aber so gut wie nie genutztes) Kräuterwiegemesser sollte ich vergeblich suchen, wie auch das Käsemesser und die ganzen verschiedenen Messer aus dem 48-teiligen Set, das ich mir mal „geleistet“ hatte. Nachdem Petra weg war und ich versuchte, in meiner „neuen“ Küche zurecht zu kommen, war ich daher erst mal geschockt. Aber immerhin: Ich konnte mir ja alles zurückholen!
Nur: Ich habe mir in der Folge kaum etwas zurückgeholt. Es stellte sich heraus, dass Petra für reichlich „Luft“ in meinen Schubladen gesorgt hatte. Und diese Luft zahlt sich aus, denn man findet plötzlich alles auf Anhieb, was man benötigt. Allein dieser Punkt ist es wert, die Küchenschubladen rigoros auszumisten.
Die Messer aus dem „tollen“ Set habe ich so nach dem ersten Schock nie wieder vermisst. Und auch Flaschenausgießer, alte Untersetzer, kaputte oder unpraktische Beutelverschlüsse und -Clips, doppelte und dreifache Helfer und vieles mehr nicht, was Petra aussortiert hatte. Und ganz ehrlich: An viele Platzfresser, die die Schubladen okkupiert hatten und jetzt verschwunden waren, kann ich mich nicht mal erinnern.
Handwerkszeug kennen und beherrschen lernen
Hinzu kam noch ein anderer Aspekt: Früher hatte ich das Gefühl, ich benötige das passende Spezialwerkzeug, um bestimmte Aufgaben in der Küche zu erledigen. So wie ich einen Avocadoschneider hatte, hatte ich auch ein ganzes Set dieser Ravioliformen/Teigpressen aus Plastik … natürlich nie verwendet. Und einen Sushi-Roll-Maker. Und ich weiß nicht mehr, was noch alles. All diese Utensilien vermittelten mir den Eindruck, die Arbeiten gingen damit besser, leichter und schneller von der Hand, falls ich sie mal machen müsse. Aber ich hatte auch immer großen Respekt vor diesen Gadgets: Meist wusste ich nicht genau, wie die Sachen funktionierten. Oder ich wusste, dass ich so was hatte, aber nicht genau, wo. Aber Avocados kann man auch (und vermutlich schneller und einfacher) mit einem simplen Messer schneiden oder mit einem Löffel ausschaben. Sushi-Rolls (also eigentlich Maki) kann man mit einer Bambusmatte für 2,75 Euro problemlos selbst rollen. Und notfalls tut es sogar eine Silikon-Backmatte.
Wenn man aber mal erlebt, dass es eben auch mit wenigen einfachen Basiswerkzeugen geht, dann macht die Arbeit mehr Spaß. Und ein Messer und eine Bambus- oder Silikonmatte sind viel leichter und schneller zu reinigen als ein Avocadoschneider und ein Sushi-Roll-Maker. Letztlich spart man so nicht nur Platz, sondern auch Zeit (und sogar Geld).
Zugegeben: In den ersten zwei Wochen fiel es mir schwer, mich in der „neuen“ Küche zurechtzufinden. Am Anfang habe ich mir einige Sachen zurückgeholt – von denen aber mittlerweile manche schon wieder verschwunden sind oder durch praktischere „Universalhelfer“ ersetzt wurden.
Insgesamt war Petras Auswahl sehr durchdacht (sie hat seit der Schulzeit oft in Gastroküchen, Kantinen und Imbissbuden gejobbt und da viel Erfahrung gesammelt, die sie auch in ihrer eigenen Küche nutzt). Trotzdem war natürlich nicht alles perfekt für mich: Ich koche für zwei, Petra für drei. Bei uns gibt es andere Lieblingsspeisen als bei Petra. Und da ich ihr manchmal in der Küche zuschaue, weiß ich auch, dass meine Arbeitsabläufe und Methoden manchmal ganz anders sind als ihre, die durch die Gastroerfahrung geprägt sind.
Aber spätestens in der zweiten, dritten Woche habe ich festgestellt: So, wie ein guter Maler mit einem überschaubaren Set von Pinseln und Farben auskommt, und ein guter Fotograf nicht fünfzig oder hundert Objektive benötigt, sondern vielleicht fünf oder zehn, so ist es auch in der Küche eine Basisausstattung von Werkzeugen, die man beherrschen lernen muss. Masse macht eben nicht Klasse, sondern Erfahrung und qualitativ hochwertige Hilfsmittel!
Das zeigte sich an den Messern: Die, die Petra mir quasi vor die Nase gehängt hatte, hatte sie vorher geschärft. Und die machten plötzlich Spaß. Fünfzig andere, die ich eh nicht im Detail kannte und die von minderwertiger Qualität waren, hatten mich eigentlich immer nur behindert, ohne dass ich es bemerkt habe.
Fazit
Heute bin ich überzeugt: Eine qualitativ gute Basisausstattung braucht nicht viel Platz – aber sie ist jeden Cent wert. Und jedes Hilfsmittel, das man regelmäßig verwendet, lernt man besser kennen. Mit der Zeit kann man es universeller einsetzen. Und man spart so Zeit und Geld. Der Blick auf die Funktionsbereiche und das Achten darauf, dass sie ihre Funktion wirklich erfüllen, ist dabei entscheidend. Und eine übervolle Küchenschublade ist eben nicht funktional. Zumindest nicht, wenn man in der Küche kochen möchte.
Was nicht zur Basisausstattung gehört, ist leicht erklärt: Alles, was man eigentlich eh nie verwendet, kann weg. Und alles, was man dreifach, vierfach und fünffach hat, kann man auf ein oder zwei Exemplare reduzieren (die besten, nicht die „modernsten“). Ach ja: Und altes Zubehör kann natürlich auch weg. Petra hat Knethaken von einem Handmixer gefunden, den ich gar nicht mehr besaß … peinlich.
Was man wirklich als Basisausstattung benötigt, ist auch von den persönlichen Vorlieben abhängig: Wer gerne Pizza selbst bäckt, ist vielleicht über einen Pizzaschneider oder eine Pizzaschaufel froh, für andere sind sie überflüssig. Wer ständig asiatisch kocht, leistet sich vielleicht einen Wok. Aber wenn Nudelmaschine, Pizzaschneider oder Wok höchstens zweimal im Jahr genutzt werden, sollte man lieber darauf verzichten und sich mit einfachen Alternativen behelfen.
Wichtig ist also vor allem die Funktionalität und der regelmäßige Gebrauch. Mit diesen Kriterien lässt sich in vielen Küchen eine Menge Optimierungspotenzial finden. Und Küchenschubladen sind Ordnungshelfer, die nur dann gut funktionieren, wenn sie nicht überfüllt sind.