Kürzlich erhielt ich eine Zuschrift von Hans. Hans glaubt, ich müsse an meinem Gedächtnis arbeiten, wenn ich einen Einkaufszettel brauche:
Ganz ehrlich: Die Tipps sind doch sinnlos. Gibt es wirklich jemanden, der EINKAUFSZETTEL braucht? Meine Oma vielleicht, aber die ist auch schon älter.
Ich habe ein Gehirn, damit kann ich mir noch merken, was ich einkaufen will. Und Preise kenne ich auch. Außerdem kann man sich die nicht aussuchen, wenn man was braucht.
Sie sollten vielleicht mal was für Ihre geistige Fitness tun, wenn Sie auf einen Einkaufszettel angewiesen sind, statt Ihren Lesern nutzlose Tipps zu geben. Es sei denn, Sie sind 65+, dann sind Sie entschuldigt.
[…]
In der Art geht es noch ein wenig weiter, ich erspare euch den Sermon. Nur hat Hans was falsch verstanden…
Eine detaillierte Einkaufsliste hat nämlich nicht nur das Ziel, mich an die Dinge zu erinnern, die ich kaufen will:
- Sie zu schreiben zwingt dazu, sich genauer darüber klar zu werden, was und wieviel man wirklich benötigt. Und im Idealfall auch, vorab zu überlegen, wo man es am besten bekommt und zu welchem Preis ungefähr.
- Im Laden hilft die Liste umgekehrt, Spontankäufe zu vermeiden. Mag sein, dass Hans ein gutes Gedächtnis hat und nichts einzukaufen vergisst, aber ich fürchte, dass er dann dazu neigen wird, eher mehr zu kaufen – auch Dinge, die gerade gar nicht nötig waren. Supermärkte sind geübt darin, Kunden Dinge unterzujubeln, die ihren Einkauf nicht vorab genau planen: Dazu gibt es Angebote, Sonderplatzierungen, Probierstände und anderes mehr.
- Regelmäßig geführt hilft eine detaillierte Einkaufsliste bzw. ein Haushaltsjournal, den eigenen Bedarf besser kennenzulernen. Das wiederum hilft, nicht auf verlockende Multipack- und XXL-Angebote einzugehen, wenn man weiß, dass man so viel gar nicht verbraucht. Und es führt auch dazu, dass man die eigenen Vorräte im Laufe der Zeit immer besser einzuschätzen und zu optimieren lernt.
- Schließlich führt das auch dazu, dass man viel bewusster zu Angeboten greifen bzw. diese abwarten kann – man ist nämlich einfach informierter als die meisten Durchschnittskunden.
- Und eine Liste zu haben entlastet auch: Vielleicht könnte ich meine Einkaufsliste perfekt memorieren. Aber warum sollte ich das tun, wenn es auch einfacher und stressfreier geht?
Ich bin auch überzeugt davon, dass es gut ist, die Preise von Produkten des täglichen Bedarfs zu „kennen“ (wobei man die eben nicht memorieren können muss, sondern einfach in einer Liste erfassen kann). Bei Butter, Käse, Milch, Kaffee und anderen Produkten erlebe ich sehr große Preisschwankungen – teilweise werden Preissenkungen und Angebote mit viel Tamtam beworben, aber Preiserhöhungen werden eigentlich immer stillschweigend vorgenommen.
Klar, Hans hat recht: Wer spontan kauft, muss tatsächlich den Preis zahlen, der am Regal steht. Aber gerade, wenn ich meine Einkäufe plane (und die Einkaufsliste ist ja nur ein Teil einer längerfristigen Planung), kann ich Geld sparen, indem ich Preise vergleiche und bei zu hohen Preisen auf eine günstigere Gelegenheit warte oder ein paar Türen weiter gehe. Wer umfassend informiert ist, gewinnt. Wer meint, umfassende Information und Planung nicht zu brauchen, wird zum Spielball der Marketingstrategen.
Übrigens ist es auch nicht besonders aufwändig, solche eine Einkaufsplanung samt detaillierter Einkaufsliste zu machen. Im Gegenteil: Je regelmäßiger man plant, desto mehr behält man die Übersicht und umso leichter und schneller ist die Detailplanung für die nächste Woche oder den nächsten Einkauf.
Ich freue mich für Hans, dass er offenbar ein gutes Gedächtnis hat. Ich fürchte aber, er nutzt seine geistigen Fähigkeiten nicht optimal und seine Selbsteinschätzung ist trügerisch. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass nicht nur alte Leute von Einkaufslisten und guter Planung profitieren können. Was meint ihr?