Mal wieder eine Frage einer Leserin, die mich per Frag Inge erreicht hat:
[…] Mein Problem ist noch immer, dass ich mich nicht entscheiden kann, von welchen Sachen ich mich trennen sollte und von welchen Sachen nicht. Ich entscheide mich dann oft, etwas doch „erstmal noch zu behalten“. Und abends im Bett habe ich dann ein schlechtes Gewissen, weil ich mich ja eigentlich von mehr Sachen trennen wollte. Hast du einen Tipp für mich? Wie entscheidet ihr das? […]
Am Anfang ging mir das ähnlich. Und es half, wenn ich bei der Entscheidung nicht allein war, sondern auf den Rat der Mädels zurückgreifen konnte. (Oder vielleicht auch: Weil ich mich dann hätte rechtfertigen müssen, habe ich mich leichter von manchen Dingen getrennt.)
Je länger ich mich mit der Frage beschäftige, desto mehr handle ich da ganz intuitiv. Zu Beginn habe ich noch geglaubt, ich würde viele Dinge brauchen, über die ich heute nur noch den Kopf schüttle. Aber da kommt auch die Erfahrung ins Spiel: Je mehr man loslässt und sieht, dass es wirklich ohne geht, umso mehr ist man auch bereit, beim nächsten Mal noch ein wenig mehr loszulassen. Deswegen bin ich ja auch kein Freund von Radikalkuren, sondern empfehle immer, Bereich für Bereich, Stück für Stück vorzugehen. Und wenn radikal, dann mit Sicherheitspuffer wie bei unserer Kistenmethode, bei der die Sachen aus dem Weg sind, aber notfalls zurückgeholt werden können.
Nicht nur ja oder nein
Aus meiner Sicht gibt es vier Kategorien:
- Notwendiges: Manche Dinge braucht man eben zum Leben oder muss sie aufbewahren. Diese Dinge erkennt man von selbst.
- Bequemes: Ich habe gerade keinen passenderen Begriff, aber die meisten Dinge, mit denen wir uns aktiv umgeben, dienen eigentlich unserer Bequemlichkeit. Im Grunde ist es bequem, zwei Tische zu haben, einen in der Küche und einen im Wohnzimmer oder im Esszimmer. Aber es ginge auch mit einem. Das dritte Oberteil (und weitere) ist nützlich und damit bequem, aber notwendig sind nur zwei: eines zum Anziehen, während das andere in der Wäsche ist. Vielleicht könnte man auch sagen: „Good to have!“
- Luxuriöses: Manche Dinge machen Spaß, sind eine nette Erinnerung, spenden Unterhaltung, Energie oder auch Trost. Oder sie regen die kreative Ader an. Aber man sollte sich klar sein, dass das eigentlich der kleine Luxus ist, den man sich gönnt. Und das gilt auch nur für solche Dinge, die man wirklich verwendet, und nicht für solche, die nur im Schrank liegen.
- Unnützes: Alles, was man eben nicht braucht und aktiv nutzt. Mittlerweile verursachen solche Dinge bei mir ein Unbehagen. Sie „kosten“ mich mehr als sie mir wert sind – diese „Kosten“ zeigen sich darin, dass sie Platz brauchen, dass sie mir ein schlechtes Gewissen verursachen (weil ich sie nie nutze, weil ich weiß, dass ich dafür viel Geld ausgegeben habe, weil ich damit ja eigentlich XXXX machen wollte, …) oder dass sie ein Unruheherd sind und immer wieder im Weg liegen. Oder alles zusammen.
Am Anfang scheint ganz viel notwendig, anderes bequem und nur wenig unnütz. Den Gedanken an „Luxus“ habe ich damals weit von mir gewiesen – höchstens die teure Flasche Whiskey meines Manns zählte dazu.
Es geht auch um die eigene Erfahrung – und die braucht ihre Zeit
Mit der Zeit änderte sich das: Immer weniger Dinge erscheinen mir jetzt notwendig – und das ist ganz schön befreiend. Man braucht keinen Fernseher, keine speziellen Laufschuhe und keinen Brotbackautomaten! Die Sachen wanderten in die Kategorie der bequemen Dinge. Und von da oft ganz schnell zu den unnützen. Das hat sich immer weiter fortgesetzt. Und dabei ist etwas Spannendes passiert: Je mehr ich erkannte, was alles nicht notwendig war, desto mehr Druck fiel von mir ab. Und ich konnte anfangen, wieder Momente zu genießen. Das war auch der Zeitpunkt, zu dem ich begann, in vielen bequemen Dingen eigentlich einen gewissen Luxus zu sehen. Und ich mich jetzt ganz bewusst entscheiden konnte, ob ich mir diesen Luxus gönne – oder mich von den Sachen doch trenne.
Mit der Zeit habe ich so zu einer bewussteren Lebenseinstellung gefunden. Und ich weiß, dass es den anderen auch so gegangen ist. Aber das braucht Zeit. Und wenn du dich nicht gleich entscheiden kannst, ob du etwas behalten oder loswerden solltest, dann solltest du dich zunächst fragen, ob es sich um etwas Notwendiges, etwas Bequemes oder etwas Luxuriöses handelt.
Notwendiges musst du dir gönnen.
Bequemes solltest du dir gönnen, weil es das Leben leichter macht.
Luxuriöses darfst du dir gönnen, aber nur, wenn du es wirklich genießt.
Das ist wie beim Sieben von Sand mit immer feineren Sieben: Was durch das Gitter fällt und den Test nicht besteht, ist unnütz für dich … und wird immer mehr zum Ballast, zum Klotz am Bein, zum Blockierer von Platz und Zeit. Weg damit.
Mit der Zeit wirst du feststellen, dass sich die Maschen deiner Siebe verändern und immer mehr durchfällt. Aber das braucht Zeit. Und Erkenntnis. Und die musst du dir gönnen.