Ich habe eine liebe Mail von Claudia bekommen. Sie fragt:
„Wo kann ich z.B. noch etwas für meine guten Sachen bekommen? Man kann doch nicht alles wegwerfen. Z.B. meine Alessi Zitronenpresse für 150 Euro … Hast du einen guten Tipp außer eBay?“
Ich hatte am Anfang auch enorme Probleme, Dinge wegzugeben, weil ich mir immer überlegt habe, was die mal gekostet haben. Da ist dann schlechtes Gewissen vorprogrammiert und man überlegt sich das mit dem Ausmisten schnell wieder anders. Mittlerweile habe ich mir so ein ähnliches Konzept zurechtgelegt wie Versicherungen: einen Zeitwert, und zwar einen für mich und einen für andere. Der unterscheidet sich drastisch vom damaligen Kaufpreis.
Selbst wenn Sachen noch originalverpackt sind, frage ich mich heute weniger, was die mal gekostet haben, sondern was sie mir heute noch wert sind. Und wenn ich bereit bin, sie auszusortieren, dann tendiert der Zeitwert für mich gegen null. Ich würde es ja nicht mehr kaufen wollen. Die Differenz zwischen Kaufpreis und diesem Zeitwert sehe ich manchmal in dem Spaß, dem Nutzen oder der Sicherheit, die mir dieses Teil gebracht hat, manchmal aber verbuche ich es auch einfach unter Lehrgeld.
Wenn wir etwas kaufen, spielen auch immer Hoffnungen, Wünsche, vage Zukunftsvorstellungen oder akute Notwendigkeiten mit, die den Preis gerechtfertigt erscheinen lassen. Wenn wir etwas loswerden wollen, sind diese Hoffnungen, Wünsche, Zukunftsvorstellungen oder Notwendigkeiten entweder erfüllt worden (womit das Objekt der Begierde seinen Zweck erfüllt hat und unser Bedarf gestillt ist) oder sie haben sich nicht erfüllt und wurden enttäuscht, so dass das Objekt für uns keinen echten Wert hatte und hat. In beiden Fällen ist der gefühlte Zeitwert deutlich geringer als der Kaufpreis. Einzig, wenn wir noch voller Hoffnung sind, dass sich der Nutzen für uns in den kommenden Tagen, Wochen oder Monaten manifestieren wird, dann ist der gefühlte Zeitwert hoch. Aber dann wollen wir uns von diesem Objekt auch (noch) nicht trennen.
Früher habe ich oft irgendwelche Zukunftshoffnungen als Argument genommen, warum etwas noch total nützlich und wertvoll für mich sei. Heute bin ich viel härter zu mir und weiß, dass wir uns alle in dieser Hinsicht gerne betrügen. Wir hatten mal einen sauteuren Heimtrainer, der die ganze Zeit ungenutzt rumstand. Ich habe ihn nie genutzt: einmal probiert und als total langweilig und eintönig empfunden. Und meinem Mann ging es ähnlich. Trotzdem konnten wir uns lange Zeit nicht davon trennen, da das Ding so teuer war und wir es ja zudem gekauft hatten, weil wir etwas für unsere Fitness tun wollten. Verkaufen oder weggeben hätte nicht nur einen finanziellen Verlust bedeutet, sondern auch ein Eingestehen des Scheiterns unserer Ziele. Und demnächst nutze ich das Ding garantiert. Im Herbst, wenn es nicht mehr so heiß ist. Quatsch, habe ich natürlich nie.
Heute sehe ich es eher so, dass das Geld eh ausgegeben ist. Wenn ich Glück habe, hat die Ausgabe Zinsen in Form von Nutzwert und Unterhaltung gebracht. Wenn ich Pech habe, gab es keine solchen „Ertrag“. Aber an schlechten Investitionen festzuhalten bedeutet, noch mehr Geld und Nerven hinterherzuwerfen. Am besten sieht man das am Zweit-Pkw, der meist hinter dem Haus steht, aber trotzdem Versicherung, TÜV, Reparaturen und Wertverlust kostet. Aber auch der Heimtrainer ist ein gutes Beispiel, da er mir immer ein schlechtes Gewissen machte, wenn ich ihn sah. Auch schlechtes Gewissen betrachte ich als Folgekosten. Und eigentlich kann man auch für all die unnützen und unnötigen Sachen einen Teil der Mietkosten veranschlagen: Wenn man ein ganzes Zimmer voller Konsumspeck hat, dann könnte man alternativ auch in eine kleinere und günstigere Wohnung umziehen (oder sich ein schönes Hobby- oder Wellness-Zimmer einrichten).
Natürlich: Wenn die Sachen noch tadellos in Schuss sind, gibt es möglicherweise andere Abnehmer dafür, die einen höheren Zeitwert empfinden als ich und daher bereit sind, mehr zu zahlen. Flohmärkte, Second-Hand-Shops (ggf. auch solche, die gegen Kommission verkaufen), kostenlose Kleinanzeigen usw. können neben eBay und Amazon Marketplace gute Anlaufstellen sein.
Aber ich verkaufe nicht, um mein Geld wieder reinzubekommen. Das habe ich aufgegeben, als ich mal über einen Flohmarkt gelaufen bin … da geht es um Kleinstbeträge. Und als ich meine Bücher loswerden wollte und gesehen habe, dass ich oft pro Band nur irgendwas zwischen 0,01 und 0,15 Euro bekommen konnte. Irgendwann habe ich meine Bücher dann „freigesetzt“, eines nach dem anderen. So kriege ich zwar kein Geld, aber ich freue mich, wenn sich jemand anderes noch daran erfreuen kann. Über unsere kleines „Dinge-Diät-Erfolgsteam“ habe ich auch Caritas, Kleiderstuben und ähnliche Organisationen zu schätzen gelernt, die Kleider-, Spielzeug- und Haushaltsartikelspenden annehmen. Es gibt viele Menschen, denen es nicht so gut geht und die dankbar für diese Angebote sind. Übrigens gibt es in vielen Städten auch Sammelstellen für Möbel und Elektrogeräte, die ggf. aufgearbeitet und dann weitergegeben werden. Einfach mal bei der Gemeinde- oder Stadtverwaltung oder der Kirchengemeinde nachfragen.
Das hilft dir jetzt natürlich wenig hinsichtlich deiner 150-Euro-Zitronenpresse. Frag dich als erstes, ob du sie wirklich loslassen willst … ich habe das Gefühl, dass du vielleicht noch nicht so richtig bereit dazu bist. Du musst nichts entsorgen, an dem du hängst! Wenn die Zitronenpresse nicht zu deinen Haupt-Problemzonen zählt, dann sind andere Dinge vielleicht eher (und leichter) abzuspecken. Das ist übrigens etwas, bei dem mir unser „Dinge-Diät-Erfolgsteam“ immer wieder eine große Hilfe ist. Ob es darum geht, etwas zu entsorgen oder etwas Neues zu kaufen: Wir haben immer untereinander jemanden, mit dem wir darüber reden können. Dieses Reden hilft, sich der eigenen Beweggründe, Hoffnungen und Ängste bewusst zu werden und so zu erkennen, was wirklich für einen wichtig ist.
Wenn sie noch total gut in Schuss ist, kennst du vielleicht auch jemanden, dem du damit eine echte Freude machen kannst. Echt heißt: nicht einfach weitergeben, um sie loszuwerden. Das, was bei mir nur im Weg steht, kann ja von jemand anderem durchaus gewünscht sein: Es ist ja im Sinne der Dinge-Diät nicht alles Müll, sondern Konsumspeck. Wenn du jemanden kennst und Sorge hast, dass du keine Verpackung mehr hast, dann mach ein kreatives Geschenk draus (eine Gelegenheit gibt es immer, nicht nur zum Geburtstag oder zu Weihnachten): kleiner Korb, Zitronenpresse in die Mitte, drum herum schöne Zitronen und Zitrusfrüchte vom Markt (möglichst mit ein paar Blättern), dazu ein ausgeschnittenes und auf eine Karte geklebtes Bild eines Zitronenhains und ein Ausdruck mit den besten Rezepten für selbst gemachte Zitronenlimonade aus dem Internet. Zu sehen, wie sich der oder die Beschenkte freut, ist mehr wert als jede Summe, die man über eBay und Co. einnehmen kann. Und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Frage kommt, wie man sich revanchieren kann. Schlag z.B. vor, gemeinsam etwas zu unternehmen (keine Gegengeschenke, es sei denn, es ist etwas, das du wirklich benötigst).
Diese Momente – die Freude eines Beschenkten zu sehen oder gemeinsam etwas Einzigartiges zu erleben – sind es, die mir immer wichtiger werden. Und die sind so viel mehr wert als alle Bücher, Zitronenpressen und Heimtrainer dieser Welt.