Da habe ich ja was angerichtet: Vor Kurzem habe ich in einem Artikel erwähnt, dass ich die Dinge-Diät und die Task-Diät als eine Form des „Life-Hackings“ begreife. Mehrere Leserinnen haben geschrieben, dass sie mit dem Begriff nichts anfangen können, und mich gebeten, ihn zu erklären. Mache ich doch gerne.
Also, „Life-Hacking“ besteht aus zwei Wörtern:
- life = Leben (und es hat nichts mit „live“ (= Echtzeit) zu tun, wie in einer Mail vermutet wurde)
- hacking = Hacken, sich zu eigen machen
Gemeint ist, dass man sein Leben nicht einfach als gegeben hinnehmen soll, aber auch nicht gleich alles ändern muss. „Hacken“ verstehe ich in einem kreativen Sinn: Früher haben wir mit dem Kassettenrekorder vor dem Radio gesessen und unser eigenes Musikprogramm zusammengestellt – wir haben das Prinzip Radio und Kassettenrekorder kreativ eingesetzt und für unsere Zwecke genutzt. Petra hat ausrangierte Kaffeebecher genutzt, um darin Küchenkräuter zu züchten … auch eine Form des „Hackings“. Und wer eine Strumpfhose vor dem Staubsaugerrohr befestigt, um so etwas auf-, aber nicht einzusaugen, der nutzt die Sachen auch kreativ und „hackt“.
Klar: „Hacken“ ist vor allem vom Computer bekannt und wird da (fälschlicherweise) oft mit Kriminellen in Verbindung gebracht, die in Rechner eindringen, Passwörter, persönliche Daten und mehr stehlen oder Schadprogramme auf PCs schmuggeln. Das sind aber eigentlich keine Hacker, zumindest nicht in dem Sinn, in dem ich den Begriff verwende. Die ursprünglichen Computer-Hacker haben versucht, ihre eigenen Rechner zu „hacken“ und dazu zu bringen, Dinge zu tun, für die sie eigentlich nicht vorgesehen waren. Es ging darum, sich die Hardware „zu eigen zu machen“ und Restriktionen der Hersteller zu umgehen – schließlich gehörte ihnen der Rechner, sie hatten ihn gekauft.
So verstehe ich auch Life-Hacking: Das ist mein Leben (bzw. Ihres). Ich habe mich viel zu lange an alle Konventionen gehalten, habe Sachen gekauft, weil die Werbung mir eingeredet hat, dass ich sie brauche. Oder weil Bekannte sie sich ja auch geleistet hatten. Oder weil „alle“ gesagt haben, dass man das im Fall des Falles braucht. Ich habe mir viel zu wenig Zeit für mich selbst genommen, weil anderes immer Priorität zu haben schien. Ich habe meine Wünsche und Lebensziele vernachlässigt. Und irgendwann war mein Leben mehr Frust als Lust, meine Wohnung war mehr Ballast als Rückzugsort und mein Terminkalender hat mich manchmal schlaflose Nächte und bittere Tränen gekostet.
Heute sage ich: So nicht mehr! Ich erobere mir mein Leben zurück. Ich habe mir meine Wohnung zurückerobert und sie in etwas verwandelt, das mir Kraft gibt und Spaß macht. Und ich habe mir (zumindest dort, wo es möglich und sinnvoll war) Zeit, Raum (Platz) und finanziellen Spielraum zurückerobert. Aber ich wollte nicht zur Minimalistin werden. Ich wollte nicht mein Leben auf den Kopf stellen, nicht ins Kloster oder eine Kommune ziehen. Und ich wollte auch gar keinen anderen Job.
Was ich gemacht habe, war (mit den Methoden aus der Dinge-Diät und der Task-Diät), mein Leben zu hacken – es mir wieder zu eigen machen. Kreativ rangehen und die Dinge ändern, die scheinbar zwangsweise so sind, wie sie sind. Das sind sie nämlich eben oft nicht, wenn man mal genauer hinschaut. Und ich glaube, jeder kann sein Leben ein wenig zum Besseren „hacken“, ohne sich komplett verbiegen und alles infrage stellen zu müssen. Und sei es nur das Schlafzimmer nicht mehr als Wäschekammer zu missbrauchen, sondern sich ein Wohlfühl-Rückzugsgebiet daraus zu machen. Oder die Küche ein wenig funktionaler zu gestalten und von Ballast zu befreien. Jeder kann sein Leben ein wenig besser machen, indem er alten Ballast und alte, unsinnige Gewohnheiten loslässt … das ist für mich Life-Hacking.
Es hat aber auch viel mit Selbsterkenntnis zu tun: Fühle ich mich besser, wenn ich eine Veränderung vornehme? Oder vielleicht schlechter? Meine Mutter ist ganz unruhig, wenn sie nichts im Haus hat, was sie Gästen anbieten könnte. Und es muss was „Gutes“ sein. Letztlich landen die Sachen dann bei mir, weil sie sie nicht gebraucht hat und jetzt meint, dass sie nicht mehr „frisch“ genug sein. Aber das wird sie nicht mehr ändern. Wohl aber haben wir ihre Küche ausgemistet und sie fühlt sich mit dem gewonnenen Platz viel wohler. Also: Life-Hacking bedeutet, individuelle Lösungen zu finden.
Und Life-Hacking bedeutet eben auch, Regeln zu hinterfragen und ggf. zu brechen. Eben, sich das Umfeld zu eigen machen, nicht sich ständig an das Umfeld anzupassen (und Frust zu schieben). Daher bin ich auch immer ein wenig ratlos, wenn mich jemand nach klaren Regeln fragt: „Wie viele Socken braucht man? Was brauche ich denn wirklich als Basisausstattung für die Küche? Soll ich wirklich nur alle 14 Tage die Fenster putzen?“ Mädels (Jungs): Ich habe keine Ahnung, wie eure Lebensumstände aussehen, ob ihr lieber thailändisch kocht oder TK-Pizza mampft und ob ihr enterbt werdet, wenn die Schwiegermutter mal Schlieren auf dem Wohnzimmerfenster entdeckt! Die Dinge-Diät und die Task-Diät sind entstanden, weil ich mir mein Leben zurückerobern wollte – oder genauer: wir das wollten … und wir erkannt haben, dass es ganz von alleine nicht funktioniert, sondern der gegenseitige Rückhalt und Denkanstöße von außen wichtig sind. Man leidet nämlich vor allem zu Beginn an einem Tunnelblick und sieht die Probleme gar nicht … oder die Regeln, die man sich selbst auferlegt hat.
Das Blog und die Bücher sind der Versuch, diese Denkanstöße vielen zur Verfügung zu stellen – aber nicht als starres Regelwerk („du musst …“, „du sollst …“), sondern als Anregung zum Hacken des eigenen Lebens!
So, jetzt verständlicher, was ich mit dem Begriff meinte? Sonst einfach nochmal nachfragen.