Neulich im Büro. Ich packte meine Sachen zusammen, während meine Kollegin Anja stöhnte: „Du hast es gut, du kannst nach Hause gehen. Ich brauche bestimmt noch zwei Stunden für den Kram.“
Am Morgen hatte sich das noch ganz anders angehört. In der Teambesprechung hatte Anja noch getönt: „Alles kein Problem, das kriege ich in 2 Stunden hin.“ Das war jetzt etliche Stunden her und eigentlich hätte Anja mit mir zusammen Schluss gehabt. Und es war ursprünglich gar nicht ihre Aufgabe, über der sie brütete. Ein anderer Kollege hätte die übernehmen sollen, aber der hatte gejammert, er habe eh noch so viel auf dem Schreibtisch und auch noch eine Telefonkonferenz mit einem schwierigen Kunden. Also übernahm Anja frohen Mutes.
Die Krux mit der Zeitschätzung
Vermutlich kennst du auch solche Situationen: Du beginnst mit Elan irgendwas und dann dauert es länger und länger. Viel länger als gedacht. Und das nicht nur im Büro oder bei Aufgaben, die man nur selten erledigt, sondern auch im Alltag: „Ich geh mal eben einkaufen“ – und dann sind plötzlich zwei Stunden vergangen.
Jetzt könnte man annehmen, es käme einfach manchmal etwas dazwischen. Oder wir seien einfach schlecht im Schätzen, wie lange etwas dauert. Aber Psychologen sagen, dass da noch mal anderes dahinter steckt: Wir sind zu optimistisch! Und zwar dann, wenn es um Sachen für andere geht. Umgekehrt sind wir zu pessimistisch, wenn es um uns selbst geht – da kommt dann rasch: „Ach, das lohnt sich jetzt nicht mehr“. Oder: „Habe ich jetzt eh nicht genug Zeit für.“
Optimistisch, realistisch oder pessimistisch?
Unser Optimismus bei Aufgaben für andere ist aber eigentlich gar kein Optimismus, sondern der Wunsch, sich keine Blöße zu geben und gut dazustehen. Geh mal die letzte Woche durch: Was hast du alles für andere erledigt? Und was davon hat länger gedauert als geplant? Eben.
Das Problem ist nur, dass dieser zur Schau getragene Pseudo-Optimismus dazu führt, dass wir am Ende genervt sind. Natürlich erledigen wir die übernommenen oder übertragenen Aufgaben trotzdem schnellstmöglich. Aber dann sind wir gestresst, schlechter Laune und haben am Ende des Tages weniger Zeit (und Energie!) für uns.
Also: Sei einfach manchmal ein bisschen weniger optimistisch! Zeitmanagement-Profis raten dazu, nicht nur eine Zeitschätzung für eine Aufgabe zu machen, sondern zwei: best case und worst case. Meistens liegt die tatsächlich benötigte Zeit dann realistisch irgendwo in der zweiten Hälfte der Zeitspanne…